„Ergänzte“ Anforderungen an den Zugang der Kündigung
LAG Düsseldorf, Urteil vom 3. Juli 2018 – 8 Sa 175/18
Ein arbeitsrechtlicher Dauerbrenner sind Diskussionen und Streitigkeiten um den Zugang einer Kündigung. Unter Abwesenden, wenn also der Arbeitnehmer nicht im Betrieb anzutreffen ist, geht die Kündigung zu, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängersgelangt ist, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnissedamit zu rechnen war, dass er von ihr Kenntnisnehmen konnte. In der Theorie bedeutet dies, wurde die Kündigung nachweislich in den Briefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen, geht sie zu, sobald damit zu rechnen ist, dass dieser den Briefkasten leert. Praktisch ergeben sich an dieser Stelle insbesondere mit Blick auf die tatsächliche Zustellung, die Nachweisbarkeit des Einwurfs und die tatsächliche Kenntnisnahmemöglichkeit viele Probleme. Das aber auch der Zugang der Kündigung unter Anwesenden – wenn sich der Arbeitnehmer also im Betrieb aufhält – nicht immer einfach zu vollziehen ist, zeigt eine jüngere Entscheidung des LAG Düsseldorf.
Der Sachverhalt
Der Geschäftsführer der beklagten Arbeitgeberin teilte dem Arbeitnehmer in einem persönlichen Gespräch am 31. Juli 2017 mündlich mit, dass sein Arbeitsverhältnis gekündigt werde. Er zeigte dem Arbeitnehmer ein von ihm unterzeichnetes Kündigungsschreiben und bat ihn, dieses als „zur Kenntnis genommen“ zu quittieren. Der Geschäftsführer reichte dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben an und dieser reichte das Schreiben nach entsprechender Unterzeichnung an den Geschäftsführer zurück. Streitig ist, ob der Arbeitnehmer das Schreiben zur Unterzeichnung mehrere Sekunden selbst gehalten hat, oder ob es während der Unterzeichnung in den Händen des Geschäftsführers verblieben war, wobei der Arbeitnehmer es mit der linken Hand auf eine Unterlage gedrückt habe. Mehr als vier Wochen später, am 1. September 2017, erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Mönchengladbach. Er stützte seine Klage insbesondere darauf, dass die Kündigung gemäß § 623 BGB unwirksam sei, da der Geschäftsführer das Schreiben nie aus der Hand gegeben habe und ihm somit nicht unter Wahrung der Schriftform zugegangen sei.
Die Entscheidung
Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hatte die Klage als verfristet abgewiesen, da es der Auffassung ist, die Kündigung sei dem Arbeitnehmer am 31. Juli 2017 selbst dann zugegangen, wenn der Arbeitnehmer das Schreiben lediglich zum Zwecke der Unterschrift aus der Hand des Geschäftsführers auf eine Unterlage gedrückt habe. Anders sieht es das LAG Düsseldorf als Berufungsgericht. Es ist der Auffassung, dass die bisherige Rechtsprechung des BAG (insbesondere Urt. v. 4. November 2004 – 2 AZR 17/04 und Urt. v. 26. März 2015 – 2 ZAR 483/14) einer klarstellenden Ergänzung bzw. Korrektur bedürfte, sofern es dem Arbeitnehmer nach dem Willen des Arbeitgeber zwar möglich sein soll, die Kündigung inhaltlich zur Kenntnis zu nehmen, er aber selbst nicht entscheiden kann, was mit dem „übergebenen“ Kündigungsschreiben passiert. Das Kündigungsschreiben müsse richtigerweise so in den Machtbereich des Empfängers gelangen, dass dieser damit machen könne, was er will (z.B. es mitnehmen), da anderenfalls die Funktionen des Schriftformerfordernisses ins Leere liefen. Das Arbeitsverhältnis sei daher durch die Kündigung vom 31. Juli 2017 nicht beendet worden.
Bewertung
Der Entscheidung des LAG Düsseldorf ist im Ergebnis zuzustimmen. Dem Arbeitnehmer muss zumindest die Möglichkeit eingeräumt werden, das Kündigungsschreiben an sich zu nehmen, etwa um den Inhalt in Ruhe zur Kenntnis nehmen oder die Unterschrift auf ihre Echtheit prüfen zu können. Macht der Arbeitnehmer hiervon keinen Gebrauch, hindert dies den Zugang nicht.
Mit seiner Entscheidung stellt sich das LAG Düsseldorf nicht gegen die bisherige Rechtsprechung des BAG, sondern ergänzt und präzisiert diese. Denn das BAG hatte bislang nur in anderen Fallkonstellationen – zu Recht – zugunsten der Arbeitgeberseite entschieden. Dies betraf zum einen den Fall, in dem der Arbeitnehmer den Erhalt des Kündigungsschreibens versehentlich auf dem Original quittierte und dieses an den Arbeitgeber zurückreichte (vgl. BAG, Urt. v. 4. November 2004 – 2 AZR 17/04) und zum anderen einen Fall, in dem der Arbeitnehmer die Entgegennahme des ihm hingehaltenen Kündigungsschreibens verweigerte (vgl. BAG, Urt. v. 26. März 2015 – 2 AZR 483/14). In beiden Fällen ist richtigerweise der formgerechte Zugang des Kündigungsschreibens anzunehmen.
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