BAG, Urteil vom 18. September 2018 – 9 AZR 162/18
Seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) zum 16. August 2014 ist umstritten, ob Ausschlussklauseln, die Ansprüche auf den Mindestlohn nicht ausdrücklich vom Verfall ausnehmen, noch wirksam sind. Die Relevanz dieser Frage liegt auf der Hand, ist eine wirksame Ausschlussklausel doch oftmals vor Gericht das einzig verbleibende Mittel für Arbeitgeber, finanzielle Ansprüche der Arbeitnehmer abwehren zu können. Das BAG hat diese wichtige Frage jüngst geklärt und damit erneut höhere Anforderungen an die Formulierung von Ausschlussklauseln gestellt.
Ausgangspunkt der Diskussion
Ausgangspunkt der Diskussion ist die Regelung in § 3 Satz 1 MiLoG. Danach sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, „insoweit“ unwirksam. Aus der Verwendung des Wörtchens „insoweit“ folgerte eine ganze Reihe von Instanzengerichten, dass auch den Mindestlohn umfassende Ausschlussfristen eben nur insoweit unwirksam seien, wie sie Ansprüche auf den Mindestlohn erfassen, im Übrigen aber wirksam (so etwa das LAG Hamburg, Urt. v. 31. Januar 2018 – 33 Sa 17/17, das LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 6. April 2018 – 11 Sa 40/17 und das LAG Nürnberg, Urt. v. 9. Mai 2017 – 7 Sa 560/16).
Die Entscheidung
Mit Urteil vom 18. September 2018 entschied das BAG, eine Ausschlussklausel, die Mindestlohnansprüche nicht vom Verfall ausnehme, sei intransparent gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie von § 3 Satz 1 MiLoG abweiche. Sie könne daher auch nicht für andere Ansprüche – hier den Anspruch auf Urlaubsabgeltung – aufrechterhalten werden. Mit anderen Worten: Derartige umfassende Ausschlussklauseln sind vollständig unwirksam und nicht nur zum Teil, wie die Instanzengerichten bislang angenommen hatten. In der Pressemitteilung heißt es weiter, eine Ausschlussklausel sei mangels Ausnahme von Mindestlohnansprüchen jedenfalls dann unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen worden sei. Dies könnte darauf hindeuten, dass das BAG Vertrauensschutz für Altverträge anerkennt. Ob und unter welchen Voraussetzungen, wird man allerdings erst den noch zu veröffentlichenden Entscheidungsgründen entnehmen können.
Bewertung
Die Entscheidung ist nicht nur angesichts der anderslautenden Entscheidungen der Vorinstanzen überraschend. Tatsächlich lässt der Wortlaut von § 3 Satz 1 MiLoG ohne weiteres auch das Verständnis zu, dass Arbeitgeber sich auch bei umfassenden Ausschlussklauseln zumindest auf einen Verfall der oberhalb des Mindestlohns liegenden Ansprüche berufen können. Tatsächlich geht das BAG selbst im Falle tariflicher Ausschlussfristen auch nur von einer solchen Teilunwirksamkeit aus (vgl. BAG, Urt. v. 20. Juni 2018 – 5 AZR 377/17). Anders als arbeitsvertragliche Ausschlussfristen unterliegen diese allerdings keiner Transparenzkontrolle, so dass eine geltungserhaltende Reduktion möglich ist.
Für Arbeitgeber besteht nunmehr dringender Handlungsbedarf: Jedenfalls die Muster für neue Arbeitsverträge sollten – sofern noch nicht geschehen – umgehend angepasst werden. Für bestehende Arbeitsverträge ist zu empfehlen, ohnehin anstehenden Vertragsanpassungen (z.B. Gehaltserhöhungen) zugleich für die Implementierung wirksamer Ausschlussklauseln zu nutzen.
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